Kurzportrait: Internationaler Großmeister im Fernschach - CC GM Dr. Harald Tarnowiecki

Zu meiner Person:

Ich wurde am 18.03.1943 in Wien geboren. Ich bin Chemiker und zur Zeit Geschäftsführer der österreichischen Tochterfirma eines amerikanischen Konzerns.

Die Möglichkeit, trotz anderer zeitaufwendiger Verpflichtungen - welcher Art auch immer - doch regelmäßig Schach spielen zu können, ist für mich neben der Liebe, die ich für dieses Spiel habe, der wesentliche Grund, weshalb ich mich dem Fernschach zugewendet habe.

Da ich beruflich stark engagiert bin und mir Bergsteigen in jeder Form - vom extremen Klettern über Wandern bis zu Schitouren -, Musik, Photographie u. a. m. ebenfalls sehr wichtig sind, kann ich nicht behaupten, daß Fernschach mein Lebensinhalt sondern wohl eines von vielen Hobbys ist.

Ich habe 1977 mit Fernschach begonnen. Ich hatte anfangs nicht die Absicht, mich intensiv damit zu beschäftigen, doch als sich erste Erfolge einstellten spielte ich weiter.


Meine Karriere ist in der Folge kurz skizziert:

  • 1977 I. Klasse
  • 1980 H - Klasse
  • 1982 M - Klasse
  • 1985 1. Donauturnier 7/7 (1. Platz) IM-Titel
  • 1987 IV. EU-MM (Vorrunde) 7,5/8 (1. Platz)
  • 1989 1. Abonyi Turnier 9/10 (1. Platz)
  • 1992 XII. Olympiade / Vorrunde 10/12 (1. Platz)
  • 1993 XX. Weltmeisterschaft / Halbfinale 13/14 (1. Platz)
  • 1994 IV. EU-MM / Finale 8/11 (2. Platz)
  • 1997 Nr. 6 in der ICCF Weltrangliste ELO 2675
  • 1998 II. Vidmar Memorial 11/14 (2. Platz) GM-Titel
  • 1998 Nr. 8 in der ICCF Weltrangliste ELO 2673

Ich warte momentan auf das nächste ¾-Finale zur ICCF - Weltmeisterschaft. Ich habe natürlich das Ziel, mich für das Finale zu qualifizieren und dort gut abzuschneiden, aber das wird nicht leicht sein.

Ich habe viele schachliche Vorbilder und wenn ich einige hervorheben möchte, so sind das Capablanca, Spassky und Fischer.

Ich selbst habe keine besonderen Erfolgsgeheimnisse und glaube auch nicht an sogenannte Erfolgsrezepte. Ich spiele ausschließlich klassische, positionell solide Eröffnungen, verwende sehr viel Zeit, um einen generellen Plan für meine Partien zu bekommen, bewerte Stellungen sehr kritisch und analysiere sehr viel und so präzise wie es mir möglich ist.

Zum Einsatz von Computern im Fernschach ist schon viel geschrieben worden und ich möchte dazu folgendes sagen:

Computer geben dem Fernschach starke Impulse, einfach aufgrund der Möglichkeit der elektronischen Zugübermittlung. Das ist großartig. Ich glaube, darüber ist man sich einig.

Kritisch wird hingegen oft der Einsatz von Computern in Partien gesehen. Ich bin der Meinung, daß jeder Spieler selbst entscheiden muß, ob und in welcher Form er Computer benützen will.

Partiedatenbanken sind sehr nützlich - auch zur Verwaltung der eigenen Partien. Sie unterscheiden sich außer durch größere Handlichkeit meines Erachtens durch nichts wesentliches von großen Bibliotheken, Eröffnungsdatein und ähnlichen Hilfsmitteln.

Spielprogramme sind meines Erachtens nichts Böses und es ist, da es nicht möglich ist, auch nicht sinnvoll, deren Einsatz zu verdammen. Es geht den handelsüblichen Programmen so ziemlich jegliches Positionsverständnis und Schachgefühl ab, aufgrund dessen sie in der Lage wären tiefgreifende Pläne zu entwickeln. Sie können einfach ausgezeichnet rechnen, nicht mehr und nicht weniger. Daher halte ich es für legitim, sie zum Überprüfen von Kombinationen zu verwenden.

Ich bin der Meinung, daß Computerprogramme für jemanden, der im Fernschach an die Spitze gelangen will, absolut falsche Hilfsmittel sind. Dazu spielen sie im Moment mit Sicherheit zu schlecht. Wahrscheinlich ist es aber zu früh für ein abschließendes Urteil, wenn man die rasante technische Entwicklung berücksichtigt.

Ich würde jedenfalls gerne einmal gegen so ein Ungetüm wie Deep Blue spielen, aber das übersteigt wohl das Budget der meisten Fernschachspieler.

Wenn ich abschließend ein paar Ratschläge geben soll, wie man im Fernschach weiter kommt, dann vielleicht die folgenden:

  • Spiele so solide, wie nur möglich.
  • Versuche niemanden mit einer dubiosen Eröffnung zu überraschen. Denke daran, daß es Dein Hauptziel ist, ein spielbares Mittelspiel zu bekommen und das geht nur mit einer soliden Eröffnung!
  • Sei stets kritisch, Dir selbst und Deinen Gegnern gegenüber.
  • Unterschätze keinen Gegner
  • Verwende viel Zeit, um einen Plan zu fassen.
  • Spiele niemals einen Zug, von dem Du nicht voll überzeugt bist. Es gibt immer einen besten Zug in einer Stellung - nicht mehrere - und den bemühe Dich zu finden. Analysiere genau , weshalb der von Dir gewählte Zug der beste ist.
  • Spiele zäh und erfinderisch in schwierigen Stellungen und werde nicht leichtsinnig, wenn Du eine Stellung für gewonnen hältst.

Zwei ausgewählte, kommentierte Partien:

Binham,T (2595) - Tarnowiecki,H (2580) [C30]
II.Vidmar mem, 1995

1.e4 e5 2.Bc4 Nf6 3.d3 Bc5 4.Nc3 Nc6 5.f4 d6 6.Nf3 a6 7.fxe5 dxe5 8.Bg5 Qd6!? 9.Qd2 0-0N 10.a3?! Weiß sollte mittels 10.0-0-0 besser seinen König in Sicherheit bringen. 10...b5 11.Ba2 b4 12.axb4 Nxb4 13.Na4 Ba7 14.Bxf6 gxf6 15.Nh4 f5! 16.Nxf5 Bxf5 17.exf5 Be3!! Die Pointe! 18.Qe2 e4! Der weiße König wird in der Mitte festgehalten 19.dxe4 Rad8 20.Bb3 Qh6 21.Nc3 Rd2 22.Qf3 Rfd8 23.Nd5 Nxd5 24.Bxd5 c6 25.Bb3 Bf2+ 26.Kf1 Bc5! ...und Weiß gab rechtzeitig auf
0-1

Praznik,A (2415) - Tarnowiecki,H (2580) [C78]
II.Vidmar mem, 1995

1.e4 e5 2.Nf3 Nc6 3.Bb5 a6 4.Ba4 Nf6 5.0-0 b5 6.Bb3 Bb7 Die Archangelsker Variante bietet dem Nachziehenden gute Möglichkeiten zu aktivem Gegenspiel. 7.d3 Bc5 Häufiger ist 7...Be7, mir gefällt aber der Textzug besser. 8.Nc3 d6 9.a4 b4 10.Nd5 h6 11.a5!? [11.Bd2 a5 unklar] 11...0-0 12.c3 bxc3 13.bxc3 Rb8 14.Be3!?N [14.d4 Ba7 unklar; 14.Bd2 Ba7 15.Be3 Bc8 unklar Timman-Bareev, Wijk 1995] 14...Bxe3 15.fxe3 Nxd5 16.Bxd5 Ne7 17.Bc4 Ich war mit meiner Stellung nicht zufrieden und mußte in der Folge sehr genau spielen. 17...c6!? 18.d4 d5 19.Bd3 c5 20.Nxe5 f6 21.Ng4 dxe4 22.Bc4+ Kh7 23.Qe2 cxd4 24.cxd4? Besser war 24.exd4. 24...Qd6! 25.Rab1 Bd5! Durch dieses Bauernopfer erhielt ich ausgezeichnetes Spiel. 26.Bxa6 Qe6! Der weiße Springer steht auf g4 etwas unglücklich. 27.h3 Ng6 28.g3 f5 29.Nf2 Qd6! 30.Nh1 Rxb1 31.Rxb1 Ra8 32.Rb6 Qa3 33.Qd2 Ra7 34.Nf2 f4 35.gxf4 Rxa6!! Dieses vorübergehende Qualitätsopfer mußte sehr genau berechnet werden. 36.Rxa6 Nh4 37.Qe2 [37.Kh1 37...Nf3 38.Qe2 Qc1+ und Weiß ist verloren.] 37...Nf3+ 38.Kg2 Qc1 39.Nd1 Der einzige Zug! 39...Bb3! Die Pointe! Weiß kann in der Folge Materialverlust nicht mehr vermeiden. Im höheren Sinn ist die Partie entschieden. 40.Qb2 Qxd1 Schwarz ist materiell im Vorteil und verfügt darüberhinaus über einen unparierbaren Angriff. 41.Qf2 Nh4+ 42.Kh2 Qh5 43.Kg1 Bf7 44.Kh1 Qb5 45.Ra7 Bh5 46.Kh2 Bf3 Der weiße König ist eingekreist. 47.a6 Qb6 48.Rb7 Qxa6 49.Rb1 Qd3 50.Rg1 Nf5 51.Re1 h5 52.Kg1 Qc3 53.Kh2 h4 54.Kg1 Qc6 55.Kh2 Qg6 56.Qg1 Während Schwarz alle seine Figuren in ideale Positionen bringt, ist Weiß zur Untätigkeit verdammt. 56...Qg3+ 57.Qxg3 hxg3+ 58.Kg1 Kg6 Die weiße Stellung ist aufgabereif, mein Gegner schien aber auf irgendein Wunder zu hoffen. 59.d5 Kf6 60.Ra1 Nxe3 61.Ra6+ Kf5 62.d6 Ke6 63.d7+ Kxd7 64.Ra7+ Ke6 65.Rxg7 Nf5 66.Rg6+ Kf7
0-1